Am 23. Mai 2023 wurde die neue Produktsicherheitsverordnung (General Product Safety Regulation – GPSR) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Diese Verordnung markiert einen bedeutenden Schritt in der Novellierung des allgemeinen Produktsicherheitsrechts und löst die bisherige Richtlinie 2001/95/EG ab. Mit der GPSR sollen auch künftig nur sichere, nicht-harmonisierte Verbraucherprodukte auf den Markt gebracht werden. Besonders im Zuge der Digitalisierung von Produkten und Vertriebswegen war eine Anpassung der bisherigen Regelungen notwendig. Die GPSR bringt daher weitreichende Änderungen und Anforderungen für Unternehmen mit sich, die wir hier näher beleuchten.
Wer ist von der GPSR betroffen?
Definition der Wirtschaftsakteure gemäß Artikel 3 Nr. 13 GPSR
Die GPSR definiert den Begriff der Wirtschaftsakteure sehr weit und bezieht verschiedene Akteure innerhalb der Lieferkette mit ein. Folgende Kategorien von Wirtschaftsakteuren sind von der Verordnung erfasst:
Hersteller
Ein Hersteller ist jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwerfen bzw. herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet. Der Hersteller trägt die Hauptverantwortung für die Produktsicherheit und muss sicherstellen, dass seine Produkte den Anforderungen der GPSR entsprechen.
Bevollmächtigter
Der Bevollmächtigte ist eine in der EU niedergelassene natürliche oder juristische Person, die vom Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in dessen Namen bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Diese Aufgaben betreffen die Einhaltung der Pflichten des Herstellers gemäß der GPSR. Der Bevollmächtigte fungiert somit als Vertreter des Herstellers innerhalb der EU.
Einführer (Inverkehrbringer)
Ein Einführer ist jede in der EU niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland in der EU in Verkehr bringt. Der Einführer ist verantwortlich für die Einhaltung der Produktsicherheitsvorgaben, wenn der Hersteller außerhalb der EU ansässig ist. Er muss sicherstellen, dass die Produkte die Anforderungen der GPSR erfüllen, bevor sie in der EU angeboten werden.
Händler
Ein Händler ist jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt in der Lieferkette bereitstellt, jedoch weder der Hersteller noch der Einführer ist. Händler sind dafür verantwortlich, dass die Produkte, die sie verkaufen, den Sicherheitsvorgaben der GPSR entsprechen. Sie müssen sicherstellen, dass keine gefährlichen Produkte auf den Markt gelangen.
Fulfilment-Dienstleister
Fulfilment-Dienstleister sind natürliche oder juristische Personen, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen anbieten: Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und Versand von Produkten, an denen sie kein Eigentumsrecht haben. Post- und Paketzustelldienste sowie sonstige Frachtverkehrsdienstleistungen sind davon ausgenommen. Fulfilment-Dienstleister können in die Pflicht genommen werden, wenn kein Hersteller oder Einführer in der EU ansässig ist.
Sonstige Akteure
Zusätzlich erfasst die GPSR jede andere natürliche oder juristische Person, die Pflichten im Zusammenhang mit der Herstellung oder Bereitstellung von Produkten auf dem Markt gemäß der Verordnung übernimmt. Dies schließt alle Personen oder Unternehmen ein, die in irgendeiner Weise für die Produktsicherheit und -konformität innerhalb der Lieferkette verantwortlich sind.
Welche Produkte sind von der GPSR betroffen?
Die GPSR gilt für die meisten Nicht-Lebensmittel-Verbraucherprodukte, die in der EU und in Nordirland verkauft werden. Artikel 2 (2) enthält eine Liste von Ausnahmen. Dazu gehören:
- Arzneimittel (Human- oder Tierarzneimittel)
- Lebens- und Futtermittel
- Lebende Pflanzen und Tiere, genetisch veränderte Organismen
- Tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte
- Pflanzenschutzmittel
- Geräte, auf denen Verbraucher mitfahren oder reisen, wenn diese Geräte direkt von einem Dienstleister betrieben werden (nicht vom Nutzer selbst)
- Flugzeuge
- Antiquitäten
Die EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) gilt ebenfalls nicht für gebrauchte Produkte, die beschädigt oder nicht mehr funktionstüchtig sind, sofern diese Mängel im Produktangebot klar und deutlich kenntlich gemacht werden. Das bedeutet, dass solche Produkte von den Anforderungen der GPSR ausgenommen sind, wenn bereits im Verkaufsangebot eindeutig darauf hingewiesen wird, dass das Produkt Mängel aufweist oder vor der Verwendung repariert werden muss.
Alle anderen Produkte sind also grundsätzlich betroffen, auch:
- Gebrauchte Produkte
- Bekleidung / Schuhe
- Medienprodukte (CDs, DVDs, Schallplatten usw.)
- Bücher
usw.
Erweiterung des Anwendungsbereichs: Fulfilment-Dienstleister und Online-Marktplätze
Die GPSR weitet den Anwendungsbereich aus und bezieht neben den Fulfilment-Dienstleistern auch Anbieter von Online-Marktplätzen ein. Diese gelten nun ebenfalls als Wirtschaftsakteure und unterliegen gemäß Artikel 22 der Verordnung neuen Pflichten. Für Fulfilment-Dienstleister gibt es keine spezifischen Verpflichtungen, doch sie werden als Teil der Lieferkette stärker in die Verantwortung genommen.
Neue Kriterien zur Beurteilung der Produktsicherheit
Die Verordnung führt neue Kriterien für die Beurteilung der Sicherheit von Produkten ein, insbesondere für smarte Produkte. Diese neuen Kriterien betreffen unter anderem die technischen Merkmale, die Verpackung, die Wechselwirkung mit anderen Produkten und sogar Cybersicherheitsmerkmale. Hersteller müssen daher die Sicherheit ihrer Produkte umfassend prüfen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Pflicht zur internen Risikoanalyse für Hersteller
Hersteller sind künftig verpflichtet, für jedes Produkt eine interne Risikoanalyse durchzuführen. Diese Analyse muss dokumentiert und für mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden. Eine Ausnahme für weniger komplexe Produkte gibt es nicht, was eine erhebliche Verschärfung der bisherigen Regelungen darstellt. In Abhängigkeit von den Produktrisiken kann sich das Pflichtenprogramm des Herstellers vielmehr verdichten (Art. 9 Abs. 2 Uabs. 2 GPSR). Der Hersteller hat die technischen Unterlagen für zehn Jahre aufzubewahren (Art. 9 Abs. 3 GPSR).
Wesentliche Produktveränderungen und ihre Folgen
Eine wesentliche Neuerung ist die Regelung zur Produktveränderung. Jede physische oder digitale Änderung eines Produkts, die die Sicherheit beeinflusst, gilt als wesentliche Veränderung. Derjenige, der die Veränderung vornimmt, wird als neuer Hersteller betrachtet und übernimmt alle Pflichten, die damit einhergehen.
Stärkere Kontrolle über die Verkehrsfähigkeit von Produkten
Ein weiteres zentrales Element der GPSR ist die Koppelung der Verkehrsfähigkeit von Verbraucherprodukten an die Existenz eines EU-Wirtschaftsakteurs. Dieser Akteur, der in der Regel der Importeur ist, trägt die Verantwortung für die Einhaltung der Produktsicherheitsanforderungen und muss sicherstellen, dass die Produkte den europäischen Vorschriften entsprechen.
Rückverfolgbarkeit und Meldepflichten bei Unfällen
Die GPSR schafft die Möglichkeit, ein Rückverfolgbarkeitssystem für Produkte einzuführen, die ein ernsthaftes Risiko darstellen. Zudem müssen Hersteller und Händler Unfälle, die mit der Sicherheit eines Produkts zusammenhängen, umgehend melden.
Anforderungen beim Fernabsatz
Besondere Regelungen gelten für den Fernabsatz von Produkten. So gelten Produkte, die online oder über andere Fernabsatzwege angeboten werden, bereits dann als „in Verkehr gebracht“, wenn sie Verbrauchern in der EU zugänglich sind. Anbieter von Online-Marktplätzen müssen zudem eine zentrale Kontaktstelle benennen und sicherstellen, dass Verbraucher Fragen zur Produktsicherheit schnell und direkt klären können.
Generelle Pflichten für Verkäufer gemäß der GPSR:
Die spezifischen Pflichten von Händlern sind in Artikel 12 der GPSR festgelegt und umfassen folgende wesentliche Punkte:
Überprüfung der Pflichten von Herstellern und Importeuren
Händler müssen sicherstellen, dass der Hersteller und gegebenenfalls der Importeur ihre jeweiligen Verpflichtungen nach der GPSR erfüllt haben. Dies schließt die Prüfung von Konformitätsnachweisen ein, um sicherzustellen, dass das Produkt den Sicherheitsanforderungen entspricht, sowie die Prüfung des Produktes insbesondere im Hinblick auf:
Angaben zum Hersteller
Verkäufer müssen sicherstellen, dass ihre Produkte ordnungsgemäß gekennzeichnet sind. Dazu gehören die Kontaktdaten des Herstellers und, falls dieser im Drittstaat (also außerhalb der EU) ansässig ist , des Importeurs, oder der Verantwortlichen Person (s.o.) Diese Informationen müssen laut Verordnung auf dem Produkt, der Verpackung oder einem Begleitdokument (z.B. Bedienungsanleitung) klar ersichtlich sein.
Angaben über Verantwortliche Person
Jeder Verkäufer muss sicherstellen, dass seine Produkte eine verantwortliche Person in der EU haben. Diese kann ein Hersteller, Importeur oder ein autorisierter Vertreter sein, oder – falls keiner dieser Akteure in der EU ansässig ist – ein Fulfillment-Dienstleister. Die Kontaktdaten der verantwortlichen Person, einschließlich einer postalischen und elektronischen Adresse, müssen auf dem Produkt oder seiner Verpackung angebracht sein. Als elektronische Adresse gilt hierbei E-Mail und/oder Website-URL.
Aufmachung des Produkts: Etikettierung, Alterskennzeichnung und Warnhinweise gemäß der GPSR
Die GPSR legt großen Wert darauf, dass die Aufmachung eines Produkts alle relevanten Informationen für die Sicherheit und den Schutz der Verbraucher umfasst. Dazu gehören folgende wichtige Aspekte:
1. Etikettierung
Jedes Produkt muss mit den notwendigen Etiketten versehen sein, die wichtige Informationen zur Identifikation und Rückverfolgbarkeit des Produkts liefern. Diese Informationen können den Produkttyp, die Seriennummer, die Chargennummer und andere identifizierende Merkmale umfassen. Die Etiketten müssen gut sichtbar und lesbar auf dem Produkt oder dessen Verpackung angebracht sein.
2. Alterskennzeichnung
Um die Sicherheit von Verbrauchern, insbesondere Kindern, zu gewährleisten, müssen Produkte, die für bestimmte Altersgruppen ungeeignet sind, klare Alterskennzeichnungen tragen. Diese Altersangaben helfen Verbrauchern, zu erkennen, ob ein Produkt für die Nutzung durch Kinder oder andere gefährdete Gruppen geeignet ist. Für Spielzeuge oder Produkte, die ein höheres Risiko bergen, sind diese Angaben oft gesetzlich vorgeschrieben.
3. Warnhinweise
Produkte müssen mit geeigneten Warnhinweisen versehen werden, um Verbraucher auf potenzielle Gefahren aufmerksam zu machen. Diese Warnhinweise sollten eindeutig formuliert und leicht verständlich sein. Sie müssen den Verbraucher darüber informieren, wie das Produkt sicher verwendet wird, welche Gefahren bei unsachgemäßer Nutzung auftreten können und welche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind. In einigen Fällen müssen die Warnhinweise auch in mehreren Sprachen verfügbar sein, je nach Markt, auf dem das Produkt verkauft wird.
4. Hinweise zur sicheren Verwendung
Produkte müssen klare Anweisungen für eine sichere Verwendung enthalten. Diese Informationen sollten alle notwendigen Schritte zur ordnungsgemäßen Handhabung, Montage oder Bedienung des Produkts umfassen. Sie sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das Produkt im vorgesehenen Rahmen verwendet wird und keine unnötigen Risiken birgt.
5. Entsorgungshinweise
Die richtige Entsorgung von Produkten ist ein wesentlicher Aspekt der Produktsicherheit und des Umweltschutzes. Produkte müssen mit Informationen versehen sein, wie sie nach ihrer Nutzungsdauer sicher und umweltgerecht entsorgt werden können. Besonders bei elektronischen Geräten oder Produkten, die gefährliche Stoffe enthalten, sind solche Entsorgungshinweise erforderlich, um die Umwelt und die Gesundheit der Verbraucher zu schützen.
Gewährleistung der Produktkonformität während der Lagerung und des Transports
Händler tragen die Verantwortung dafür, dass die Produkte während der Lagerung und des Transports sicher sind. Sie müssen sicherstellen, dass die Lagerungs- und Transportbedingungen so gestaltet sind, dass die Konformität der Produkte mit den Sicherheitsanforderungen der GPSR erhalten bleibt.
Verkaufsverbot für nicht konforme Produkte
Händler dürfen keine Produkte verkaufen, von denen sie wissen, dass sie nicht den Sicherheitsanforderungen der GPSR entsprechen. Bevor ein solches Produkt wieder auf den Markt gebracht wird, muss die Konformität sichergestellt und dokumentiert werden.
Meldung und Korrekturmaßnahmen bei gefährlichen Produkten
Händler müssen den Hersteller oder Importeur unverzüglich informieren, wenn sie Kenntnis von einem gefährlichen Produkt erhalten, das nicht den Sicherheitsanforderungen der GPSR entspricht. Sie sind auch verpflichtet, die zuständigen Marktüberwachungsbehörden zu benachrichtigen und gegebenenfalls Rückrufaktionen oder andere Korrekturmaßnahmen zu koordinieren. Diese Punkte werden besonders wichtig, wenn Händler sicherheitsrelevante Informationen von Kunden, Marktüberwachungsbehörden oder anderen Quellen erhalten, die auf potenzielle Risiken hinweisen.